Im Wald und in der Welt sein

Mit Iwein über trans* sein, in der Natur sein, füreinander da sein

© Zara Jakob Pfeiffer

Iwein ist mir ein guter Freund geworden im letzten Jahr. Wir reden über trans* sein und nonbinär sein, darüber, dass es manchmal Draußensein braucht, um Dinge sagen zu können und Spazierengehen beim Reden helfen kann.Wir reden über Sichtbarkeit und über Verantwortung für uns selbst und andere. Im Wald und in der Natur sein ist für uns verbunden mit trans* sein und queer sein. Wir reden darüber, was das für uns bedeutet, es geht um Ankommen und angenommen werden, alleine in der Natur sein, die Geschichte von Orten, verantwortungsvolles Feuer, Fotografieren, große Messer, Privilegien und die Sehnsucht nach Räumen, in denen Grenzen gewahrt werden und sich alle ohne stereotype Zuschreibungen ausprobieren können. [CN_Suizid] Am Ende reden wir über das in der Welt sein wollen und über Suizid. Darüber, dass manche Fragen schwer sind und es trotzdem wichtig sein kann sie zu stellen. 

Shownotes

Queer Natur
https://www.queernature.org/

Berichte über die Unlikely Hikers 
https://www.autostraddle.com/unlikely-hikers-creating-space-for-everyone-on-the-trail-one-group-hike-at-a-time/
https://jennybruso.com/unlikelyhikers/

Kai Cheng Thom: I Hope We Choose Love 
https://kaichengthom.com/books/

Trans Care von Hil Malatino und Care Webs aus: CARE WORK. Dreaming Disability Justice by Leah Lakshmi Piepzna-Samarasinha 
https://arsenalpulp.com/Books/C/Care-Work

Trans & Care: Transpersonen zwischen Selbstsorge, Fürsorge und Versorgung herausgegeben von Max Nicolai Appenroth und Maria do Mar Castro Varela:  
https://www.transfabel.de/index.php?main_page=product_info&cPath=1_15&products_id=525

Schmiedeprojekt: S. 58f

Transgender and nonbinary youth who reported having pronouns respected by all or most people in their lives attempted suicide at half the rate of those who did not have their pronouns respected: https://www.thetrevorproject.org/survey-2020/

Eines von Iweins Fotos …

I’ve stepped in the middle of seven sad forests …

Ich rede mit Andrea von der Trans* Inter* Beratungsstelle über Coming Out und was da alles dran hängt … Andrea kam genau im richtigen Moment, es folgte ein langer Spaziergang an der Isar bei dem sie einen Haufen Essen dabei hatte und ich viele Fragen und Chaos im Kopf. Wir reden über Coming Out, warum die Trans* Inter* Beratungsstelle in München ziemlich großartig ist, die Herausforderungen von Peer Beratung und dass es bei einem trans* und/oder nonbinären Coming Out ganz schön viel Unterstützung braucht. Andrea hat einen Haufen Tipps, hört selbst, es ist schwer genug und es kann nie genug Verbündete geben.

1-2-3-4 Geschlechtsoptionen

Vulnerabilität und das Recht auf Anerkennung … In dieser Folge beschäftige ich mich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur dritten Geschlechtsoption, warum es trotzdem vier Geschlechtsoptionen gibt, was es mit den Paragrafen 22 und 45b im Personenstandsgesetz auf sich hat und wie es sich anfühlt, wenn nach fast 40 Jahren etwas gerade gerückt wird.

SHOWNOTES

Der Jingle ist von Mike, der ihn für mich und diesen Podcast komponiert hat. Danke!
Wenn ihr hören wollt, was Mike noch so macht: The water is lovely

Personenstandsgesetz (PStG)

§ 22 Fehlende Angaben

(3) Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so kann der Personenstandsfall auch ohne eine solche Angabe oder mit der Angabe „divers“ in das Geburtenregister eingetragen werden.

Personenstandsgesetz (PStG)

§ 45b Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung
(1) Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung können gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag durch eine andere in § 22 Absatz 3 vorgesehene Bezeichnung ersetzt oder gestrichen werden soll.

Bundesverfassungsgericht

Personenstandsrecht muss weiteren positiven Geschlechtseintrag zulassen
Leitsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Beschluss des Ersten Senats
vom 10. Oktober 2017

1 BvR 2019/16 –

  1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die geschlechtliche Identität. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.
  2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.
  3. Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt.

Absatz 44
b) Verlangt das Personenstandsrecht einen Geschlechtseintrag, verwehrt es einer Person aber zugleich die personenstandsrechtliche Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität, ist die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit dieser Person spezifisch gefährdet:

Absatz 45
aa) Unter den gegebenen Umständen hat die personenstandsrechtliche Anerkennung des Geschlechts Identität stiftende und ausdrückende Wirkung. Der Personenstand ist keine Marginalie, sondern ist nach dem Gesetz die „Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PStG).

Absatz 52
c) Dass keine Möglichkeit besteht, ein weiteres Geschlecht eintragen zu lassen, ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil mit der Einführung einer dritten positiven Eintragungsmöglichkeit in einer Übergangszeit ein bürokratischer und finanzieller Aufwand verbunden sein kann. Zwar müssten die formalen und technischen Voraussetzungen zur Erfassung eines weiteren Geschlechts zunächst geschaffen werden. Gegenüber der Grundrechtsbeeinträchtigung, die es bedeutet, in der eigenen geschlechtlichen Identität durch das Recht ignoriert zu werden, wäre der durch die Ermöglichung einer einheitlichen dritten Bezeichnung verursachte Mehraufwand aber hinzunehmen. Ein Anspruch auf personenstandsrechtliche Eintragung beliebiger Identitätsmerkmale, die einen Bezug zum Geschlecht haben, ergibt sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hingegen nicht. Davon abgesehen steht es dem Gesetzgeber frei, in personenstandsrechtlichen Angelegenheiten ganz auf den Geschlechtseintrag zu verzichten.

Absatz 59
Zweck des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist es, Angehörige strukturell diskriminierungsgefährdeter Gruppen vor Benachteiligung zu schützen (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 236, 244). Die Vulnerabilität von Menschen, deren geschlechtliche Identität weder Frau noch Mann ist, ist in einer überwiegend nach binärem Geschlechtsmuster agierenden Gesellschaft besonders hoch. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG lässt es ohne Weiteres zu, sie in den Schutz einzubeziehen. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG spricht ohne Einschränkung allgemein von „Geschlecht“, was auch ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich sein kann.

„Die dritte Option – Selbstbestimmung und Gleichberechtigung unter dem Grundgesetz“.

Vortrag von Prof.* Dr.* Susanne Baer im Rahmen der Tagung „Personenstand: divers. Gleichstellung weiterdenken“

Prof.* Dr.* Susanne Baer, LL.M., ist seit Februar 2011 Richterin des Bundesverfassungsgerichts im Ersten Senat in Karlsruhe.


Selbstbestimmungsgesetz

Öffentliche Anhörung vor dem Innenausschuß des Bundestages zum Selbstbestimmungsgesetz vom 2. November 2020